Krankenstand und Dienstverhältnis – eine Kombination, die rechtliche und finanzielle Herausforderungen birgt. Ob Kündigung, einvernehmliche Auflösung oder Entlassung: Als Arbeitgeber*in müssen Sie die Feinheiten der Entgeltfortzahlung und die rechtlichen Vorgaben kennen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie rechtssicher handeln und typische Fallstricke vermeiden.
Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand
Eine einvernehmliche Auflösung während eines Krankenstandes kann für beide Seiten eine pragmatische Lösung darstellen. Dennoch bleibt die Entgeltfortzahlung ein zentrales Thema.
Entgeltfortzahlungspflicht trotz Ende des Arbeitsverhältnisses
Nach § 5 EFZG (für Arbeiter*innen) und § 9 AngG (für Angestellte) sind Sie als Arbeitgeber*in verpflichtet, das Krankenentgelt weiter zu zahlen – selbst über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Wichtig ist: Die Dauer der Entgeltfortzahlung richtet sich nach dem im bisherigen Arbeitsjahr noch offenen Kontingent.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Arbeiter trat am 06.03.2019 in das Unternehmen ein, und sein Arbeitsjahr für die Krankenstandsverwaltung lief jeweils vom 06.03. bis 05.03. des folgenden Kalenderjahres. Sein Krankenstand dauerte vom 17.01.2023 bis 14.05.2023. Während dieses Krankenstandes wurde eine einvernehmliche Auflösung per 28.02.2023 vereinbart. Der Arbeitgeber zahlte das Krankenentgelt nach Beendigung des Dienstverhältnisses nur bis zum 05.03.2023, da er den 05.03.2023 als letzten Tag des laufenden Arbeitsjahres ansah. Der Arbeitnehmer forderte hingegen die Entgeltfortzahlung bis zur Ausschöpfung der gesetzlichen Dauer, konkret bis zum 06.04.2023.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH):
Der OGH entschied, dass die Ansicht des Arbeitgebers den Zweck des § 5 EFZG untergraben würde. Zwar beginnt nach Beendigung des Dienstverhältnisses kein neues Arbeitsjahr mehr, und es entsteht daher auch kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Allerdings bleibt der Anspruch auf das noch offene Entgeltfortzahlungskontingent aus dem bisherigen Arbeitsjahr bestehen. Der Arbeitnehmer hatte somit Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zum 06.04.2023 (OGH 23.07.2024, 9 ObA 54/24t).
Was bedeutet das für Sie als Arbeitgeber*in?
- Planen Sie bei einer einvernehmlichen Auflösung während eines Krankenstandes die verbleibende Entgeltfortzahlungsdauer sorgfältig ein.
- Das offene Kontingent aus dem aktuellen Arbeitsjahr bleibt bestehen – ein neuer Anspruch für ein „fiktives“ neues Arbeitsjahr entsteht jedoch nicht.
- Klären Sie solche Regelungen transparent mit dem/der Arbeitnehmer*in, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Andere Austrittsgründe im Krankenstand
Kündigung im Krankenstand
Eine Kündigung während eines Krankenstandes ist rechtlich zulässig, und die gleichen Kündigungsfristen und -termine gelten wie sonst auch.
Entgeltfortzahlung:
- Als Arbeitgeber*in müssen Sie auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses das Krankenentgelt weiterzahlen, solange der gesetzliche oder kollektivvertragliche Anspruch nicht ausgeschöpft ist.
- Der Krankenstand allein ist kein Kündigungsgrund, selbstverständlich können diskriminierende Auflösungen aufgrund von Krankheit rechtliche Konsequenzen haben.
Entlassung im Krankenstand
Eine Entlassung im Krankenstand ist nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin gerechtfertigt, beispielsweise bei Diebstahl oder grober Arbeitsverweigerung.
Entgeltfortzahlung:
- Ist die Entlassung berechtigt, endet Ihre Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung.
- Wird die Entlassung als ungerechtfertigt beurteilt, bleibt der Entgeltanspruch bestehen, was Nachzahlungen und gegebenenfalls Schadenersatz zur Folge haben kann.
- Vorsicht! Bedenken Sie immer: Eine Entlassung kann immer nur unmittelbar nach Kenntnisnahme des Tatbestandes ausgesprochen werden!
Eigenkündigung oder Austritt durch den/die Arbeitnehmer*in
Wenn Arbeitnehmer*innen während eines Krankenstandes selbst kündigen oder aus wichtigem Grund austreten, kann dies Ihre Pflichten beeinflussen:
- Bei berechtigtem Austritt: Etwa bei schweren Pflichtverletzungen Ihrerseits, bleibt der Anspruch auf Krankenentgelt bestehen.
- Bei Eigenkündigung ohne wichtigen Grund („normale“ Dienstnehmer-Kündigung) In diesem Fall erlischt der Entgeltanspruch in der Regel mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
Praxistipps für Arbeitgeber*innen
- Dokumentation: Halten Sie alle Vereinbarungen zur Beendigung des Dienstverhältnisses (idealerweise inklusive Uhrzeit des Gesprächs) und zum Krankenstand schriftlich fest.
- Transparente Kommunikation: Informieren Sie Arbeitnehmer*innen klar und rechtzeitig über ihre Rechte und Pflichten – auch im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung.
- Rechtliche Beratung: Holen Sie bei komplexen Fällen Unterstützung bei uns ein, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Pflichten korrekt erfüllen.
- Entgeltfortzahlungsdauer berechnen: Prüfen Sie das offene Entgeltfortzahlungskontingent aus dem aktuellen Arbeitsjahr genau, insbesondere bei einer Auflösung knapp vor oder nach dem Stichtag für ein neues Arbeitsjahr.
- Kündigung im Krankenstand: Prüfen Sie, ob eine Kündigung sinnvoll und rechtlich unproblematisch ist. Ein vorschnelles Vorgehen kann teuer werden.